Immer wieder höre ich: „Das könnte ich nicht, so einen alten Hund aufnehmen. Da muss man sich ja so schnell wieder trennen!“ Ja, ohne Zweifel ist die Zeit, die einem Seniorhund bleibt, begrenzt. Und doch ist es eine unglaublich schöne und intensive Erfahrung, so einen Hund bis zum Tod zu begleiten. Deshalb möchte ich Euch gerne an meinen Erfahrungen teilhaben lassen, um eine Lanze zu brechen für die grauen Schnauzen und vielleicht ein wenig die Angst zu nehmen vor der Kürze der gemeinsamen Zeit und dem schnellen Abschied.
Mein erster Senior-Hund kam eher zufällig zu mir. Ein 8 jähriger Huskymix-Rüde, er wurde abgegeben weil er sich angeblich bissig gegenüber Kindern und Männern zeigte. Er lebte ursprünglich bei einem Paar in Spanien und wurde nach 7 Jahren wegen Trennung zurück ins Tierheim gebracht. Dort magerte er binnen drei Monate auf 16 kg ab und konnte einen Platz bei einer Huskyaffinen Familie mit mehreren Kindern in Deutschland ergattern. Doch leider kam er mit dem Trouble dort überhaupt nicht klar. Da Not am Mann war, bot ich mich recht unbedarft als Pflegestelle an. Meine Hündinnen waren entspannt und freundlich, ich habe keine Kinder und so zog Casper bei uns ein. Ein bildschöner Hund, der einfach nur sensibel war. Anfragen bekam er keine, hergegeben hätte ich ihn eh nicht mehr. Er war mein Seelenhund, mein Schatz, meine große vierbeinige Liebe. Er war wunderbar anhänglich und zu Menschen unfassbar feinfühlig, so dass wir bald regelmäßig gemeinsam die Bewohner eines Altenheims besuchen gingen. Casper jagte nicht und konnte problemlos ohne Leine laufen und er hat gehaart wie verrückt, so dass der Staubsauger und die Fusselbürste meine besten Haushaltsfreunde wurden… 5 Jahre waren wir ein Team bevor der Krebs uns innerhalb von 2 Wochen trennte. Krachbumm, vorbei. Doch ganz ehrlich? Erst als mich jemand fragte, wie lang ich ihn gehabt hätte, fiel mir auf, dass es „nur“ 4,5 Jahre waren. All meine Erinnerungen, all die Freude und die gemeinsamen Erlebnisse fühlen sich an, als wäre Casper mindestens 10 Jahre bei mir gewesen. Alle meine Hunde sind unvergessen, doch er ist und bleibt mein Stern und mein Seelenlicht.
Er war der Wegbereiter, der Anfang.
Eines Tages bekamen wir von unseren spanischen Tierschützern ein Foto von einem neuen Hund geschickt. Magoo. Ein undefinierbarer krummbeiniger kleiner Mix. Steinalt. Fast blind. Schlechte Nierenwerte. Er war schlafend mitten auf der Straße vor einem verlassenen Hof gefunden worden. Welch herzloser Mensch setzt einen so alten hilflosen Molch einfach auf die Straße? Das konnte er nicht überleben. Im Tierheim kam er überhaupt nicht klar. All die vielen Hunde im überfüllten Zwinger, der Lärm, Magoo ging dort total unter. Nach einer Beißattacke gegen ihn musste er in einem winzigen Behelfs-Raum separiert seine Tage fristen, da die Tierheimmitarbeiter Angst hatten, dass er wieder gebissen werden könnte. So sollte er nicht den Rest seines Lebens verbringen. Also zog er bei uns ein. Magoo wurde mein „Herr Dackel“, er war nicht stubenrein und pinkelte mir in den ersten Wochen mein Laminat wellig. Er hatte große Probleme mit hell/dunkel Übergängen, da er noch ein klein wenig sehen konnte. Seine Zähne waren ein Graus, doch sein Herz war zu alt für eine Narkose. Herr Dackel war mein Sonnenschein. Er lernte nach einer mehrwöchigen Eingewöhnungsphase schnell, sich im Haus zurechtzufinden und nach einigen Monaten hatte er den Weg in den Garten so gut raus, dass er im Wackeldackelgalopp um die Ecken sauste, um zum Pipi machen in den Garten zu kommen. Leider pieselte er immer auf denselben Flecken Gras, so dass dort bald nichts mehr wuchs und es auch nach seinem Tod fast zwei Jahre dauerte, bis der Boden sich dort von seinem Altherrenurin erholt hatte.
Mein großer Rüde Kanelo nahm Herrn Dackel in seine Obhut, oft saß Herr Dackel zwischen seinen Vorderbeinen und Kanelo leckte ihm die tränenden Augen sauber. Einmal im Monat kratzten wir ihm vorsichtig Zahn für Zahn den Zahnstein ab und reinigten seine Zähne. Geduldig hielt Magoo bei der Prozedur still, bis es ihm immer irgendwann dann doch zu bunt wurde und wir die weitere Zahnbehandlung auf den nächsten Monat verschoben. Herr Dackel liebte es, mit uns spazieren zu gehen. Ableinen konnte ich ihn nur am Rhein, denn wenn Herr Dackel auf unseren Feldrunden einen tollen Duft in die Nase bekam, dann bog der Herr auch mal spontan ab ins Feld und zockelte im Dackelsauseschritt davon. Und ich konnte hektisch hinterher staksen, um den Herrn wieder auf den richtigen Pfad zu führen. Nach 1,5 Jahren bekam Herr Dackel mehrere Krampfanfälle, von denen er sich von Anfall zu Anfall schlechter erholte. Nach seinem vierten Anfall habe ich ihn gehen lassen. Ich habe so viele schöne Bilder und Erinnerungen an meinen Herrn Dackel im Kopf und bin unendlich froh, dass er bei uns war.
Und dann war da noch Cata, kein Seniorhund, sondern eine kleine, mehrfach behinderte Hündin, die bereits als Junghund aus einem spanischen Tierheim nach Deutschland kam und ein Zuhause fand. Leider hatte die Familie sich nicht ausmalen können, wie schwierig das Zusammenleben mit dieser kleinen, selbstbewussten Lady sein würde. Cata kam aus der Vermittlung zurück und zog bei mir ein. Sie hatte die krummsten Beine der Welt, ihre Knie waren röntgenologisch ein Supergau, sie sah extrem schlecht, lebte geistig in ihrer eigenen Welt und hatte einen unglaublich starken und einfach großartigen Charakter. Ein Spaziergang mit ihr eröffnete einem ganz neue Welten. Sie konnte eine viertel Stunde an einem Grashalm riechen, von links, von rechts, hinten, vorne…und wieder von links, von rechts… Und dann sauste sie plötzlich los, so schnell die krummen Beine trugen. Beim Häufchen machen kurbelte sie ihr rechtes Hinterbein entgegen aller Logik im rechten Winkel nach vorne-oben und machte häufig sogar einen kurzen Handstand dabei. Es sah aus wie eine Figur der Schlangenfrau aus dem chinesischen Staatszirkus. Cata war absolut souverän im Umgang mit anderen Hunden und überaus freundlich mit Menschen. Sie liebte es, auf dem Schoß zu sitzen. Sie liebte es, alles zu beobachten, was um sie herum passierte.
Bei Regen und Dunkelheit ging sie nicht freiwillig hinaus zum Pipi machen, sondern zog es vor, dies innen zu erledigen. Deswegen installierte ich einen hellen Scheinwerfer im Garten. Aber auch das brachte Cata bei feuchten Witterungen nicht dazu, freiwillig in den Garten zu gehen. So sahen meine Nachbarn mich spätabends mit dem Hund unterm Arm durch strömenden Regen und Schneefall bis zum hinteren Ende des Grundstücks latschen, wo ich Cata dann absetzte. Mit einem Blick tiefster Verachtung stakste Madame dann mit mir wieder zurück ins Haus und pieselte unterwegs noch eben. Man musste ihr Wesen halt zu nehmen wissen.Cata war zwar nicht gut zu Fuß, aber sie liebte es wirklich, dabei zu sein. Meine Freundin kam auf die Idee mit dem Rucksack und so nahm Cata hochzufrieden an unseren diversen Wanderungen teil. Nie werde ich die Gesichter der anderen Leute vergessen, wenn sie Cata mit ihrem huldvollen Königin-Elisabeth-Gesichtsausdruck aus dem Rucksack schauen sahen.
Cata bezauberte die Menschen. Sie konnte die tollsten Geräusche machen und kommunizierte eindringlich und eindeutig mit ihren ihr treu Ergebenen. Ihre Anhängerschar wuchs mit jedem, der sie näher kennenlernte. Leider bekam sie mit 6 Jahren einen epileptischen Anfall, aus dem sie trotz tierärztlicher Hilfe nicht mehr hinauskam. So blieb mir nur, sie gehen zu lassen. Sie war etwas ganz besonderes und beim Gedanken an sie muss ich immer lächeln.
Ebenfalls etwas ganz besonderes war mein Teddybär Yanko. Er wurde mit seinem etwas jüngeren Kumpel Coco mit 13 Jahren ins Tierheim gegeben. Dort war er schnell der Schrecken der Helfer, ein Zwergspitz-Pekinesen-Mix, knarzig, eigensinnig und gerne bereit, seine Meinung mithilfe seiner Zähne durchzusetzen. Dementsprechend waren seine Chancen auf ein neues Zuhause sehr übersichtlich, nämlich keine. Sein Kumpel Coco fand nach 6 Monaten einen Pflegeplatz in Deutschland, wo er auch noch immer glücklich lebt. Doch für Yanko meldete sich einfach niemand… Als ich ihn im Tierheim kennenlernte, zeigte er sich nur bedingt von seiner besten Seite, er buhlte nicht um Liebe, sondern war eher das Modell „verbitterter alter Mann“. Und deshalb entschloss ich mich, ihn aufzunehmen. Nach einem langen Jahr im Tierheim zog er kurz vor Weihnachten bei mir ein und präsentierte sich als selbstbewusster kleiner Plüschbär. Stolz wackelte er mit uns mit bei unseren Spaziergängen, immer flott voran, soweit die Leine reichte. Leinte man ihn anfangs ab, dann trabte er wie aufgezogen immer weiter und weiter, ohne auf seinen Anhang zu achten. Er kannte offenbar nur das Leben an der Rollleine und musste erst lernen, auf seine Gruppe und mich zu achten. Doch schnell hatte der gewiefte Kerl das raus und konnte bald frei herumsausen. Yanko liebte Bällchen und sauste trotz seines Alters begeistert hinter ihnen her. Er brachte mir auch immer die liegengelassenen Spielis von Kanelo zurück, Kanelo holte sie aus dem Rhein an Land und Yanko brachte sie mir zurück. Echtes Teamwork. Yanko war nicht kastriert und sehr von sich überzeugt. Junge Rüden wurden von ihm kurz und schmerzlos in ihre Schranken gewiesen und Hündinnen galant umgarnt. Des öfteren musste ich dem alten Herr hinterherlaufen und ihn zurück auf den Pfad der Tugend bringen, wenn er sich mal wieder unsterblich in eine Hundedame verliebt hatte und mit ihr auf und davon wollte.
Yanko war wirklich ein Flauschball und deshalb blieben uns regelmäßige Bürsteinheiten nicht erspart. Diese waren anfangs mit diversen Diskussionen zwischen uns verbunden, da der kleine Herr schnell ungnädig wurde, wenn es mal ziepte. Dann hackte er mit seinen langen Zähnen gerne mal zackig zu, anstatt mich etwas gemäßigt auf mein Vergehen hinzuweisen. Aber auch das gab sich mit der Zeit. Ich vertraute Yanko und er vertraute mir. Er wurde unglaublich lieb, anhänglich und verschmust mir gegenüber und ich schloss ihn tief in mein Herz. Bei einem meiner Besuche in Spanien, auf dem er mich mit meinen anderen Hunden begleitete, sah er auch seine alten Betreuer wieder. Alle freuten sich, den kleinen Löwen wieder zu sehen, doch der Herr fand das mehr als überflüssig. So schmusig und brav er mir gegenüber geworden war, bei seinen alten Betreuern zeigte er sich grätzig wie eh und je. Tierheim fand er halt trotz aller Bemühungen der Helfer blöd. Wer kann es ihm verdenken? 1,5 Jahre wirkte er unzerstörbar und genoss das Leben. Fröhlich, munter, einfach mein kleiner Löwe. Doch dann holte ihn das Alter ein und er zeigte Anzeichen von Demenz und baute binnen kurzer Zeit körperlich ab. Als auch die Medikamente nicht mehr anschlugen und ich sah, dass er keine Lust mehr am Leben hatte, geleitete ich ihn hinüber.
Espi war die Hündin meiner Freundin. Sie hatte Espi auf mein Bitten vor sechs Jahren aufgenommen. Eine mittelalte Podenco-Mix mit einem riesigen Krebstumor. Sie wurde nachts einfach am Tierheimtor in Spanien angebunden. Der Tumor wurde weggeschnitten, doch die Prognose war nicht gut. Maximal sechs Monate gaben die Tierärzte der Hündin. Espi kam schnellstmöglich nach Deutschland und blühte auf. Aus den sechs Monaten wurde ein Jahr, dann noch eins. Irgendwann wuchs der Tumor wieder. Und wurde wieder weggeschnitten. Und Espi erholte sich erneut und genoss das Leben weitere Jahre. Und dann wuchs der Tumor ein drittes Mal und ihr Herz wurde schlechter. Sie bekam Herztabletten und der Tumor wurde nach langem Zögern, ob man es ihr nochmal zumuten sollte, ein drittes Mal entfernt. Und wieder zeigte sich Espi heilfroh, dass der Bollen weg war und erholte sich gut von der schweren OP. Doch Anfang des Jahres starb plötzlich ihr Herrchen. Espi und ihr Frauchen trauerten sehr und Espi begann, abzubauen. Da sie die Treppenstufen nicht mehr gut schaffte, zog sie zu einer lieben Freundin ihres Frauchens, in Haus mit Garten. Doch dort gefiel es ihr nicht gut, so dass Frauchen sie wieder heim holte. Espi hatte mittlerweile weiter abgebaut, war schwach und konnte Urin und Kot nicht mehr gut halten. Weil die Treppenstufen zum immer größer werdenden Problem wurden und Frauchen auch länger arbeiten musste, musste Espis Frauchen eine schwere Entscheidung treffen. Sollte sie Espi nochmals in andere Hände geben? Oder sollte man diesen alten, schwachen Hund lieber erlösen? Eine schwierige Entscheidung. So zog Espi versuchsweise bei mir ein. Sie kannte mich und meine Hunde bereits von diversen Urlaubsaufenthalten und war immer gerne bei uns gewesen. So war es auch diesmal. Klaglos gliederte sich Espi bei uns ein. Schnell begann sie, sich auf die Gassirunden zu freuen und schmiss ihren Kopf begeistert im Kreis, wenn wir aufbrachen. Sie wackelte interessiert hinterher und begann nach ein paar Wochen sogar, podencolike einige Fasanen aufzuscheuchen, so dass ich sie tatsächlich aus dem Feld rufen musste. Sie liebte es, mit einem Massagestriegel gebürstet zu werden. Im Haus verlor sie ständig Köttel, vorzugsweise in den Hundekörbchen, so dass meine Hunde oftmals peinlich berührt auf dem Teppich oder der Couch lagen, wenn ich von der Arbeit heim kam. Wenn es regnete, zog auch sie es vor, indoor zu pieseln, so dass ich schließlich dazu übergehen musste, ihr Windeln anzuziehen, wollte ich nicht sämtliche Teppiche verbannen. Und schwupps, war die alte Dame wieder „dicht“ und hielt brav ein, bis ich sie hinaus ließ. Jaja, einige kleine Schrulligkeiten sei den alten Herrschaften zugestanden. Sie begleitete uns brav überall hin und blieb bei längeren Wanderungen ebenso brav Zuhause, bis wir wieder zurück waren.
Nach Weihnachten ging es ihr dann überraschend schlechter. Ihr Herz wollte nicht mehr so wie sie wollte. Die Tierärztin stellte sie nochmal neu mit Medikamenten ein, doch Espis Herz spielte einfach nicht mehr mit. Nach einer Woche mussten wir einsehen, dass es nun Zeit war, sie zu ihrem Herrchen gehen zu lassen.
Und dann sind da noch die Senior-Hunde, die ich, ohne es vorher zu ahnen, nicht bis zum Ende, sondern nur ein Stück auf dem Weg ins neue Zuhause begleiten durfte.
So wie Princesa. Im Tierheim wurde sie damals auf über 12 Jahre geschätzt. Sie konnte kaum laufen, hat struppiges Fell und schien ihr Leben an der Kette verbracht zu haben. Ihr struppiges Gesicht rührte mich und ich nahm sie als Die-in-Love-Pflegehund auf. Ein Blick auf ihre Zähne ließ mich allerdings erahnen, dass sie eher 5-6 als 12 Jahre alt sei. Mit ein wenig Muskelaufbau und gutem Futter verbesserte sich ihr Laufvermögen stetig. Wir ließen sie deshalb in der Vermittlung, doch ich dachte so manches Mal, dass es mir schwer fallen würde, dieses kleine eigensinnige Schaf wirklich wieder herzugeben. Nach einigen Monaten meldete sich ein Paar, die einen Zweithund suchten. Wir verabredeten uns am Rhein und ich sah buchstäblich wie die Funken flogen. Princesa zog aus und lebt noch heute, sieben Jahre später, glücklich bei ihren Menschen, die ich mittlerweile zu meinen Freunden zählen darf.
Und Leika. Leika ist eine kleine Jack Russel Hündin, die sich mit ca. 12 Jahren mit einem offenen Tumor an der Gesäugeleiste bei meiner Tierärztin zum Einschläfern wieder fand. Auf Nachfrage meiner Tierärztin offenbarte sich eine familiäre Tragödie, bei der Leika wochen- und monatelang als Leidtragende die Schwächen ihrer Menschen ausbaden musste. Meine Tierärztin fragte, ob wir sie aufnehmen würden, wenn sie die OP überleben würde. Der Tumor sei sehr groß, aber Leika habe eine Kämpfernatur und eine Chance verdient. Glücklicherweise überstand Leika die OP hervorragend und erholte sich rasch von dem schweren Eingriff. Ein faustgroßer Tumor wurde entfernt, der beim Laufen über die Erde geschliffen hatte und dadurch aufgegangen war – Leika war trotz der großen OP-Naht wie befreit nach seiner Entfernung. Mein großer Kanelo nahm sich mal wieder ihrer an und passte auf sie auf. Leika gliederte sich problemlos bei uns ein und verwandelte sich nach und nach vom völlig überfütterten Meerschweinchen zurück zu einer fitten, wenn auch etwas pummeligen Jack Russel Dame. Wir nahmen sie in die Vermittlung auf, nicht wirklich daran glaubend, dass sich jemand für sie interessieren würde. Doch das Wunder geschah. Eine wunderbare Familie meldete sich und nahm sie auf, auch wenn wir nicht zusagen konnten, wie lang sie noch zu Leben hatte oder ob der Tumor wieder zurück käme. Dort lebt sie noch heute und jedesmal, wenn ich Bilder bekomme, denke ich zurück an die Bilder von ihr auf dem Behandlungstisch, mit dem riesigen Tumor und ich kann dieses Wunder kaum glauben.
Oder Freddy. Freddy ist quasi Yankos Nachfolger gewesen. Auch er landete als Senior im Tierheim, wo er ein gutes Jahr ohne eine Anfrage wartete. Ein kleiner Terriermix, vor dem die Helfer ordentlich Respekt hatten, da er gerne und schnell zubiss. Als ich ihn im Tierheim sah, präsentierte sich mir ein selbstbewusster alter Herr, die Augen total knustig mit Tränenflüssigkeit, den Hintern und das gesamte Fell voller Kot. Nicht sehr verleitend dazu, ihn anzufassen. Das war wohl auch sein Plan, denn seine Pfleger sagten mir, er würde sich gerne in Kötteln wälzen. Sie würden ihn zwar gerne besser pflegen, aber er wäre dann so garstig, dass es ohne Maulkorb partout nicht gehen würde, ohne dass Blut fließen würde. Und wenn er den Maulkorb sähe, würde er sowieso direkt zuhacken. Der Herr war also nicht blöd und scheint`s eher unkooperativ. Mei-o-mei, wollte ich mir so einen Kadetten wirklich antun? Aber wer wollte so ein Schätzchen denn haben? „Garstiger alter Terrier mit einer Vorliebe für Köttel im Fell sucht ein Zuhause“. Auch ohne diese Hinweise schlugen sie die Leute nicht um ihn, aber mit diesen Infos…? Ein Jahr ist so lang für einen alten Hund… ein Jahr Tierheim reicht. Also kam Freddy mit zwölf Jahren zu mir. Er hat einen bezaubernden Vorbiss und laange Eckzähne. Jaja, die lernte ich anfangs schnell mal kennen. Wenn ich aber auch auf ein Bad und eine Bürste bestehe… Ich war wieder einmal beeindruckt von dem Eigensinn so eines kleinen Hundes und er war offenbar beeindruckt davon, dass ich mich nicht von seinen Zähnen beeindrucken ließ. Also schlossen wir Frieden. Freddy ist ein wirklich selbstbewusster Herr und ein Ballfetischist. Und er gibt gerne Küsschen und liegt gerne dicht bei einem.
Nie werde ich den Anblick vergessen, als er beim ersten Ausflug an den Rhein gemeinsam mit Kanelo einem etwas vorwitzigen jungen Doggenrüden die Meinung geigen wollte. Kanelo legte der Dogge so gut es ging den Kopf aufs Kreuz und Freddy schnappte sich knurrend dessen Vorderbein. So stand die Dogge etwas verwirrt da und ich beeilte mich Entschuldigungen stammelnd, diesen Kampfzwerg an seiner Schleppleine einzuholen und seinen großen Kumpel von der Dogge abzurufen. Der Doggenbesitzer nahm es mit Humor, sein Rüde war mitten in der Pubertät und bekam selten Gegenwind von den Hunden, die er fröhlich und distanzlos überrannte.
Auch Freddy apportierte mit großem Eifer die Spielis, die Kanelo aus dem Rhein ans Land brachte. Nie musste ich die Spielis im tiefen Sand suchen gehen, wo Kanelo sie mit Vorliebe hinschleppt oder gar verbuddelt. Freddy fand sie alle zu 100%. Ich dachte wirklich, der freche Kerl bleibt noch eine ganze Weile bei uns. Doch dann starb der Hund der Freundin einer Freundin. Ich kannte sie bereits, eine tolle Frau. Und sie fragte mich nach einem Hund. Nicht zu jung, nicht zu groß, taff, kein Mimöschen. Puh, die Beschreibung war eindeutig Freddy… Das sagte ich ihr. Hmmm, so alt, meinte sie, wegen des schnellen Abschieds und so… ok, kein Problem, er sollte ja eigentlich eh bleiben. Ein paar Stunden später dann die Nachricht „ich habe mir die Videos und Fotos angeschaut, er ist toll, ich will ihn kennenlernen“. Öööh… ok… Und drei Tage später kam sie und Freddy zockelte auf sein neues Frauchen zu, setzte sich an ihre Füße und forderte sie zum Bällchen werfen auf. Als sie aufstand, ging er ganz selbstverständlich mit. Na, was sollte ich da noch sagen…Also zog auch er um und lebt jetzt schon über ein Jahr als Einzelprinz glücklich mit seinem Frauchen. Wenn wir uns mal treffen, werde ich huldvoll begrüßt, aber sein Frauchen lässt er nicht aus dem Blick. Ich hoffe, er bleibt noch eine lange Zeit so fit und munter.
All diese Hunde haben mein Leben immens bereichert. Wenn sie bei mir krank wurden und starben, habe ich mit ihnen gelitten. Sie haben hier und da mehr Geld gekostet. Sie haben mir hin und wieder wenig Schlaf beschert. Manches Mal musste ich mehr Rücksicht nehmen. Doch immer haben sie mir unglaublich viel Freude bereitet. Sämtliche Erinnerungen an sie sind positiv. Ich denke gerne an die Zeit mit jedem Einzelnen zurück. Vielleicht nehme ich die schönen Zeiten bewusster war, weil ich weiß, wie begrenzt die Zeit ist, die uns zusammen bleibt. Alle Hunde hatten ihre Schrullen, ihre Eigenheiten und einen gereiften Charakter. Gleichzeitig waren sie so anpassungsfähig, so bereit, sich auf ein neues Leben einzulassen, wie man es als Mensch nicht erwarten würde.
„Dankbar“ höre ich oft als Beschreibung für so ein Wesen. Doch Dankbarkeit finde ich in diesem Zusammenhang ein abgedroschenes, ja falsches Wort, das ganz falsche Erwartungen an einen alten Hund auslöst. „Bescheiden“ trifft es für mich besser. Die Hunde, die zu mir kamen, hatten alle ihre Vergangenheit. Manche eine glückliche, mit ihren Menschen, geliebt in einem Zuhause, manche eine trübselige, als Hofhund, ohne großartige menschliche Ansprache oder gar Zuneigung. Doch die jüngste Vergangenheit war bei allen eine traurige. Gelandet im Zwinger eines Tierheims. Sie erwarten nichts, wenn sie zu mir kommen. Sie erobern die weichen Körbe, manche staunend, manche glücklich, endlich wieder weich liegen zu dürfen. Sie erfreuen sich an meiner Aufmerksamkeit und den Spaziergängen. Sie genießen den Moment. Aus den abgeschobenen Knastinsassen werden wieder Familienhunde. Kooperationsbereit. Anpassungsfähig. Glücklich. Bescheiden.
Sie machen mir immer um ein Vielfaches mehr Freude als das sie mich Tränen kosten und sie geben mir immer mehr, als sie nehmen. Sie alle lehren mich Bescheidenheit und den Genuss des Augenblicks.
Immer wieder würde ich einem alten Hund ein Zuhause bieten. (© Nicole Zinn)