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Besuch der PROA Februar 2015

von | Mrz 28, 2015 | TS Fellwechsel on Tour

Ein erstes Jahr erfolgreicher Zusammenarbeit haben wir gemeinsam bestritten und bereits im Dezember fieberten wir voller Vorfreude unserem nächsten Besuch in Madrid entgegen. Endlich war es wieder so weit. Donnerstagnacht um 2.00 Uhr ging die Fahrt für mich bereits los. Erst einmal Richtung Willich, um Nicole abzuholen und dann direkt zum Düsseldorfer Flughafen.

Um 9.30 Uhr befanden wir uns bereits in der Luft und unser Besuch in Madrid war zum Greifen nah. Minerva erwartete uns mit ebenso viel Vorfreude bereits am Flughafen. Das vergangene Jahr hat uns verbunden, aus Partnern wurden enge Freunde und dementsprechend herzlich fiel auch die Begrüßung aus.

Direkt vom Flughafen fuhren wir zum Tierheim. Wir waren so gespannt auf „unsere“ Hunde, auf das Team, die Arbeit vor Ort und verzichteten deshalb auf Kofferauspacken und Ausruhen, viel zu kostbar war die Zeit. Auch von den Volontären wurden wir überschwänglich begrüßt und in Empfang genommen. Martha, die gute Seele des Tierheims, begann sofort damit, uns ihre Hunde zu zeigen. Die Hunde waren mir nicht mehr fremd, ich kenne nun jeden einzelnen mit Namen, seine Geschichte, seine Gebrechen, Vorlieben und Entwicklung. Es ist schwer, die richtigen Worte zu finden, aber das Gefühlschaos, das über dich herein bricht, ist wirklich kaum zu beschreiben, es überrollt dich förmlich und es braucht auch eine ganze Weile, um es zu verarbeiten.

Da ist Wanda, die mit Ruhe und Gelassenheit an den Zaun getrabt kam, um sich als Erste ihre Streicheleinheiten abzuholen. Ambar, die dir gleich freudig ihren Ball bringt, in der Hoffnung, dass Du Zeit für ein Spielchen hast. Buri, die dich, einmal gestreichelt, wie ein Schatten begleitet.

Hunde, die wir noch nicht kannten, kamen, um uns zu begrüßen, der kleine Fox oder Alvin, die sofort den Kontakt zu uns aufnahmen. Unglaubliche Entwicklungen konnten wir beobachten. Der kleine Podenco Castor, der sich nicht mehr scheu im hintersten Teil des Zwingers verkroch, sobald man sich näherte, sonder keck die Nase hervorstreckte. tour08Phineas, der im letzten Jahr noch so unscheinbar wirkte, aber ein so freundliches Wesen hat. Gorgol, den wir im Vorjahr nur aus der Ferne betrachten konnten, kam und verteilte sogar freudig Küsschen. Die Liebe zu jedem einzelnen Hund und die damit verbundene, konsequente und ausdauernde Arbeit der Tierschützer vor Ort, war deutlich zu spüren. Doch auch Traurigkeit machte sich breit, nicht alle Hunde haben sich weiterentwickelt, andere leiden stark unter der Tierheimsituation. Wie zum Beispiel der stattliche Rüde Jeicko. Noch immer ist er unnahbar, lässt nur wenige vertraute Menschen an sich heran. Kibo, der ebenfalls noch immer mit seinen Ängsten lebt und sich seinen Abstand bewahrt. Die Schäferhündin Maggie, die melancholisch und traurig wirkte und dringend einen Altersruhesitz außerhalb der Tierheimmauern benötigt, da schwere Arthrosen sie plagen. Neo, der nur glücklich ist, wenn er im Auslauf toben kann…

Ohne Pause ging der Rundgang weiter. Begeistert waren wir von den durchgeführten Baumaßnahmen. Der neue Außenzaun ist fertig, gemeinsam mit Minerva haben wir Eure Schleifen angebracht. Überglücklich lässt Minerva Grüße nach Deutschland senden, verbunden mit großer Dankbarkeit, denn durch Eure Hilfe im letzten Jahr können nun alle Hunde wieder den Freilauf genießen, ohne dass Minerva Angst haben muss, es könnte einer abhanden kommen. Das Herz schlägt höher beim Anblick der tobenden und spielenden Hunde, eine wahre Freude sie so unbekümmert zu sehen. Die Stunden verrannen im Flug und so war unserer erster Tag im Tierheim viel zu schnell vorüber. Gemeinsam mit Minerva kehrten wir zum Abendessen in einem kleinen Restaurant ein und ließen den Tag Revue passieren, besprachen bereits erste Projekte und natürlich die dringend erforderlichen Baumaßnahmen des Quarantänedachs. Hier war Minerva die große Sorge und die damit verbundene Belastung deutlich anzumerken. Der momentane Aufnahmestopp belastet alle Tierheimmitarbeiter, die Neuzugänge sind vorerst bei ihren Findern untergebracht.

Doch trotz aller guten und vorausschauenden Planung ist das natürlich nicht ausreichend und nur eine Übergangslösung. Immer wieder wird Minerva mit einem erneuten Notfall konfrontiert, wie der kleine Mastinmix – Welpe Truhan, der mit der Polizei beschlagnahmt und im Tierheim untergebracht werden musste. Ihm rettete Minerva wortwörtlich das Leben, nimmt sich sein „Besitzer“ doch immer wieder neue Welpen und erschlägt sie, wenn er ihrer überdrüssig ist. Eine Belastung, die für mich kaum vorstellbar ist, Wut, Frustration aber vor allem Hilflosigkeit machte sich breit und ging enorm an die Substanz.

Ausgeschlafen und in aller Frische standen wir frühzeitig Samstagmorgen auf, um erneut zum Tierheim zu fahren. So ganz nebenbei wurde vorher noch schnell eine in Minervas Straße streunende Katze eingesammelt und mit zum Tierheim genommen. Alltag in Spanien, über den man kaum noch spricht, der für mich aber aufregend und neu war. Ich habe meinen ersten Streuner eingefangen und verhelfe ihm somit zu einem besseren Leben. Samstag hat Minerva das volle Programm aufgefahren. Die ganze Crew war vertreten, der Hundetrainer kam und wir lernten die ersten, festen Gassigänger kennen. Unglaublich, mit welcher Routine die tägliche Arbeit vonstatten ging, nebenbei die Hunde zum Spaziergang vorbereitet und die einzelnen Trainingsstunden besprochen wurden. Begeistert war ich von den angewandten Sicherheitsvorkehrungen, bevor ein Hund zum Spaziergang los durfte. Jeder Hund, egal ob offen und neugierig oder schüchtern und ängstlich, wurde doppelt gesichert. Es wurde Geschirr und Halsband angelegt, und mit doppelter Leine versehen. Die Freude war den Hunden anzumerken, aufgeregt fieberten sie ihrem Spaziergang entgegen.

Die restliche Zeit schauten wir dem Hundetrainer Alberto bei seiner Arbeit zu. Mit jedem Hund wurde speziell nach seinen Bedürfnissen gearbeitet, einige der Hunde mit Klicker, die anderen über Handzeichen und die Hunde sowie die Menschen waren mit voller Konzentration und Begeisterung dabei. Die kleine Dora, freudig lauschte sie den Kommandos und dem Klicker, um ja alles richtig zu machen. Marlon, der hervorragend und voller Eifer mitgearbeitet hat oder Coffee, anfänglich traurig und unterfordert im Tierheim, der binnen kurzer Zeit alle Grundkommandos aus dem ff beherrscht. Aber auch mit Problemfällen wird speziell ihren Bedürfnissen entsprechend gearbeitet, wie zum Beispiel bei Terry, der die Menschen als Freunde und nicht als Bedrohung wahrnehmen soll. Die Trainingseinheiten sind kurz, sollen ihn nicht überfordern und werden positiv mit einem Spaziergang beendet. Ich hätte noch viele Stunden beobachtend in meiner Ecke sitzen können.

Doch ein weiterer Teil der Tierschutzarbeit vor Ort stand auf dem Programm. Wir fuhren gemeinsam mit Minerva und ihrem Team nach Toledo und nahmen an einer Demonstration zur Änderung des Jagdgesetzes in Castilla la Mancha teil. Hunderte von Menschen gingen gemeinschaftlich auf die Straße, einige weitere Vereine waren vertreten, aber auch viele junge Menschen, die ihre Stimme erhoben. Sie kamen mit Spruchbändern, Parolen und brachten ihre Hunde mit, vor allem Galgos, Podencos und Jagdhunde, sogar ein Hausschwein hatte seinen Platz in der Menge gefunden. Ein Umdenken findet statt, vor allem die jüngere Generation erhebt ihre Stimme, sie schaut nicht mehr weg, sondern gibt öffentlich kund, was sie mitzuteilen hat. Der Weg ist weiterhin lang und steinig, aber vor allen Dingen in den Großstädten tut sich etwas. Für uns eine weitere, neue Erfahrung, die mich schwer ergriffen und teilweise auch zu Tränen gerührt hat, da ich mit einem solchen Menschenaufkommen ganz sicher nicht gerechnet hatte.

Unser Sonntag ging im Tierheim weiter. Erneut kam das gesamte Team und die ersten Gassigänger standen bereits vor dem Tor. Die Armut ist groß in Spanien und somit auch in Madrid, die Menschen können Minerva meist nicht in finanzieller Hinsicht helfen, daher bringen sie sich anderweitig ein. Sie lösen die festen Mitarbeiter ab, übernehmen an den Wochenenden den Reinigungs– und Fütterdienst und versorgen die kranken Tiere. Viele von ihnen sind bereits über Jahre fester Bestandteil der Arbeit vor Ort, sie haben ihren festen Hund, der geduldig darauf wartet, besucht und zum Spaziergang abgeholt zu werden. Es finden Führungen durchs Tierheim statt und so hatten wir die Möglichkeit, auch daran teilzunehmen, da eine Pfadfindergruppe vor Ort war, die mehr über das Tierheim und die damit verbundene Arbeit erfahren wollte. Hatte man eine ruhige Minute und ließ das Erlebte und Gesehene der bereits vergangenen Tage Revue passieren, stellte man fest, dass Minerva und ihr Team ein Tempo vorlegten, dem kaum zu folgen war. Der Tag ist bis auf die letzte Minute fest geplant, dennoch findet sich immer noch irgendwie Zeit, einem Notruf nachzugehen, Tiere einzusammeln oder zum Tierarzt zu bringen. Für mich kaum vorstellbar, wie der einzelne Tag mit beeindruckender Erfahrung gemeistert wird, ich kann eigentlich nur den Hut ziehen, mehr Einsatz, Liebe, Fürsorge und Organisation ist kaum möglich.

Am späten Nachmittag wollten Nicole und ich uns ein wenig die Gegend und die Stadt ansehen, ohne zu bedenken, dass der Alltag eines Tierschützers in Spanien meist anders verläuft als gedacht und sich schon gar nicht planen lässt oder nach festen Zeiten richtet. Kaum auf der Landstraße, tauchte aus dem Nichts eine weiße Galga in erbärmlichem Zustand auf. Humpelnd und völlig abgemagert lief sie die Straße entlang. Wir hielten an, in der Hoffnung, die Hündin sichern zu können. Nicole klärte mit Minerva die Unterbringung ab und ich versuchte unterdessen, das Vertrauen des völlig verängstigten Tieres zu gewinnen. Ihr enormer Hunger trieb sie nach vorne, aber immer so weit Abstand haltend, dass man ihr keine Schlinge umlegen oder sie sogar hätte greifen können. Mein Herz raste, keine Ahnung, wie lange wir auf der Landstraße verbrachten, Zeit spielte eh keine Rolle. Doch leider waren unsere Bemühungen vergebens, uns blieb nichts anderes übrig, als ihr eine Futterstelle fernab der Straße in einem Weinberg einzurichten. Diese nahm sie auch sofort an und wir hegten einen kleinen Funken Hoffnung, sie vielleicht am nächsten Tag einfangen zu können. Ihr Schicksal wird für uns ungeklärt bleiben, denn am nächsten Tag war sie nicht mehr auffindbar. Wir kontrollierten erneut die Futterstelle, doch sie hatte sich wohl nur satt gefressen und war dann weiter gezogen. Für mich, nun bereits wieder einige Tage Zuhause, ganz furchtbar. Der Gedanke an ihr Schicksal stimmt mich unendlich traurig. Immer wieder stelle ich mir die Frage: Lebt sie noch, wurde sie vielleicht bei der Jagd verletzt und hat nun den Weg zurück zum Jäger gefunden? Was hat er mit ihr gemacht, da sie für ihn nun nutzlos und noch dazu verletzt ist? Oder wurde sie womöglich angefahren und ist alleine irgendwo im Straßengraben gestorben? Fragen, die keine Antwort finden. Wie gehen die Tierschützer vor Ort damit um, wie verarbeiten sie solche Tiefschläge tagtäglich immer und immer wieder aufs Neue…

Einen kleinen Trost brachte uns dann auf dem Rückweg das kleine Welpenmädchen Tessa. Nur noch im Augenwinkel erblickt, wendeten wir erneut auf der Landstraße um nachzusehen, in welchem Zustand der gesehene Hund sich befand. Mitten auf der Kreuzung saß sie dann, die kleine Püppi, müde, nass und hungrig. tour32Ihre Kräfte hatten versagt, irritiert von den ganzen Autos hatte sie sich einfach hingesetzt und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Sie ließ sich problemlos einsammeln und schlief direkt in meinen Armen ein. Einen Hund haben wir gerettet, ein unglaubliches Gefühl, dieses Hundekind nun so in den Armen zu halten. Vielleicht sind es diese kostbaren Momente, die nach einem Tiefschlag erneut Ansporn geben, weiterzumachen…

Montag ist Kastrationstag. Der mobile Tierarzt fährt vor und kastriert die vorher durchgegebenen Hunde. Danach werden sie liebevoll von Martha gepäppelt, es wird regelmäßig nach ihnen gesehen, bis sie wieder vollständig wach sind. Für uns der Tag, um Abschied zu nehmen, den Hunden erneut ein paar zusätzliche Leckereien zuzustecken, die vielen Notizen noch einmal zu ergänzen und ein letztes Abendessen mit unseren Freunden zu genießen. Müde sind wir, nach nur vier Tagen emotional völlig ausgebrannt und froh, am kommenden Tag die eigenen Hunde wieder in die Arme schließen zu können. Hatten sie ein vergleichbares Schicksal? Der Gedanke daran lässt mich erschaudern und treibt mir die Tränen in die Augen.
Obwohl wir ein gut organisiertes Team und ein wirklich gut geführtes Tierheim vorgefunden haben, fahren wir mit Wehmut und schwerem Herzen wieder nach Hause.

Minerva und ihr Team leisten hervorragende Arbeit, die unter den erschwerten Umständen nicht besser sein könnte. Nur durch harte Disziplin und die Einhaltung der Auflagen, die sie sich selbst gesetzt haben, ist es überhaupt möglich, den Hunden ein einigermaßen angenehmes Leben zu bieten und den Überblick zu behalten. Dazu gehört schmerzlicher Verzicht, es müssen Tiere an die umliegenden Tierheime und Perreras verwiesen werden und es müssen mitunter Entscheidungen getroffen werden, die das Herz schwer werden lassen. Nur so ist es möglich, die vielen Hunde und Katzen, die bei der PROA Zuflucht gefunden haben, einigermaßen gut zu versorgen und nicht nur einzusammeln, zu „lagern“ und sich Selbst zu überlassen, bis sie vielleicht irgendwann ein Zuhause finden oder tot in ihren Zwingern liegen. Es herrscht Sauberkeit, was das Infektionsrisiko senkt und der Stresspegel der Hunde hält sich in Grenzen, das geht aber nur, wenn die Anzahl der Hunde nicht wieder ins Unermessliche steigt, wie es zu Anfangszeiten auch bei der PROA noch üblich war. Dennoch sitzen die Hunde viele Stunden einsam in ihren Zwingern, sind starken Winden und strömendem Regen schutzlos ausgeliefert, im Hochsommer müssen sie in der Hitze ausharren.

Es warten noch viele Jahre harter Arbeit auf die spanischen Tierschützer, die dazu nötigen Mittel müssen vorhanden sein und auch Menschen wie Marta, Alberto, Yolanda, Aroa, Mariangeles, Angelines, Rachel, Laura, Isabel, Voceles, Esther, Miguel, Celeste und nicht zu vergessen Minerva, die in erster Linie Entscheidungen treffen muss und die Verantwortung für all die Tiere auf ihren kleinen, zierlichen Schultern trägt. Um weiterhin alles Erdenkliche für die Hunde, Katzen und auch die Menschen und die Situation vor Ort zu tun, brauchen auch wir Unterstützung und Hilfe, alleine ist das nicht zu schaffen. Für uns ist es vergleichbar einfach, mit Eurer Hilfe das Tierheim weiter zu unterstützen, mehr ist von Deutschland aus nicht möglich, dazu ist die Entfernung einfach zu groß. Den täglichen Kampf um jedes einzelne Leben und die damit verbundenen Sorgen und Nöte müssen die Tierschützer vor Ort alleine bewältigen.

Beim Schreiben dieses Berichtes schweifen meine Gedanken bereits in die Zukunft, ich freue mich, auch im kommenden Jahr wieder Madrid zu besuchen, um erneut „meine Hunde“ wiederzusehen, sie zu knuddeln, am Tierheimalltag teilzunehmen und mit neuen Projekten der Zukunft entgegen zu sehen. Schön wäre es, wenn auch Ihr weiterhin dabei sein würdet und Minerva, ihr Team und auch uns mit Eurer Unterstützung dabei helft, den Tieren der PROA zu einem besseren Leben zu verhelfen. (© Petra Hörmann)

Feste Entschlossenheit und Klarheit im Innern,
sanfte Anpassung und Stärke im Äußern,
das ist der Weg, etwas zu erreichen.
(Chinesische Weisheit)