Wieder einmal erreichte uns der Hilferuf einer Besitzerin, die ihren adoptierten Hund abgeben musste und auf „wenig“ -sprich gar keine- Unterstützung von Seiten ihres vermittelnden Tierschutzvereins traf. Eigentlich sollte man denken, dies sind Einzelschicksale, doch dem ist leider nicht so.
Abgabegründe gibt es viele. Manchmal ändert sich das Leben durch Schicksalsschläge oder Krankheiten gravierend. Manchmal stellt man schweren Herzens fest, dass die Charaktere und Lebenserfahrungen von Hund und Mensch oder der Hund und sein neues Lebensumfeld (Wohnumfeld, Tagesablauf, andere tierische Mitbewohner etc.) trotz aller Beratung vor der Anschaffung, trotz aller Bemühungen und Trainingsstunden einfach nicht zusammenpassen. Manchmal ist die Beratung des Züchters, Vermittlers, Verkäufers, Vorbesitzers unzureichend oder schlichtweg falsch. Und manchmal hat der Mensch einfach falsche Vorstellungen von den zu erwartenden Wesenszügen und Ansprüchen seines gewählten vierbeinigen Freundes.
Während Schicksalsschläge und Krankheiten naturgemäß zumeist nicht vorhersehbar sind, so sind die anderen Abgabegründe für einen erfahrenen Züchter oder Vermittler im Tierschutz durchaus im Voraus erkennbar und somit auch vermeidbar. Indem man den betreffenden Hund eben NICHT zu diesem Menschen gibt.
Doch hey, wir sind alle nur Menschen und Fehler passieren. Wichtig ist nur, dass der Mensch bereit ist, für seine Fehler geradezustehen.
Sprich: der Hundehalter holt sich professionelle Hilfe bei Hundetrainern und Unterstützung bei dem Verein/Züchter, von dem er den Hund übernommen hat. Private Vorbesitzer nehme ich hier bewusst aus. Und der vermittelnde/verkaufende Verein/Züchter nimmt seine Verantwortung ernst und unterstützt den Adoptanten/Käufer mit all seiner Erfahrung, Tipps und verfügbaren Hilfen und nimmt -zumindest im Falle der Tierschutzvereine- in letzter Instanz auch das Tier zurück, um ihm ein neues, passenderes Zuhause zu suchen.
Natürlich hat man nicht immer sofort die passende Pflegestelle parat, wenn der Adoptant sich überraschend meldet und den Hund abgeben möchte/muss. Auch wir nicht. Da wir unseren Adoptanten und Pflegestellen aber bereits im Vorfeld ziemlich große Löcher in den Bauch fragen, unseren Hundetrainer im Tierheim VOR der geplanten Übergabe mit diversen Bitten um Trainingseinheiten unter den unterschiedlichsten Bedingungen sowie Katzentests erfreuen und auch nach der Adoption Kontakt zu unseren Familien halten, haben wir eine extrem niedrige Quote an sogenannten Rückläufern. Und dafür sind wir sehr dankbar.
Beinahe täglich erreichen uns jedoch mittlerweile Anfragen, ob wir diesen oder jenen Hund aufnehmen können. Zumeist, weil der Hund verhaltensauffällig und/oder krank ist, denn die Braven und Gesunden kommen ja meist irgendwo im privaten Umfeld oder via Kleinanzeigen unter.
Oft sind es Hunde, die ursprünglich mittels der einschlägig bekannten Kleinanzeigenseiten, „aus liebevoller Hobbyzucht gekauft“ oder „aus schlimmen Verhältnissen gerettet“ wurden.
Doch nicht wenige Hunde sind von in- und ausländischen Tierschutzorganisationen.
Das mutet seltsam an, denn nahezu alle Vereine haben in ihren Informationstexten, ihren Verträgen und teils bereits in ihren Fragebögen den Hinweis, dass bei einer Abgabe unbedingt der Verein zu informieren ist und der Hund wieder zurück an den Verein gehen soll.
Tritt dann der Fall der Fälle ein, berichten die hilfesuchenden Besitzer uns nahezu unisono, dass der Verein für die Nachricht dankt, jedoch leider keine Möglichkeit hat, den Hund zurückzunehmen. Die Besitzer sollen sich bitte selber um ein neues Zuhause bemühen. Und dann: still ruht der See…
Keine weiteren Nachfragen und Nachkontrollen, um die Ursache des Problems zu eruieren und damit den Weg zu ebnen für ein Happy End im gewohnten Umfeld oder im schlimmsten Fall für das Finden eines geeigneten Pflege- oder Endplatzes.
Noch nicht mal das Angebot, den Hund mit Bildern und aktueller Beschreibung wieder online zu nehmen, um bei der Suche nach einem neuen Zuhause professionell zu unterstützen.
Wie kann das sein? Was veranlasst einen Verein, die Verantwortung für ihre ehemaligen Schützlinge nicht mehr zu übernehmen und diese damit der Gefahr einer Karriere als Wanderpokal via Kleinanzeigen auszusetzen, unter Umständen mit dem unrühmlichen Höhepunkt als unvermittelbar in einem deutschen Tierheim zu landen? Wir wissen es nicht.
Im aktuellen Fall von Pino war es nicht anders. Pino kam vor ca. 3 Jahren im Alter von ca. 5 Monaten zu seinem Frauchen. Ein junger, aktiver und fröhlicher großer Hund. Auf die schriftliche Nachricht der Besitzerin an die 1. Vorsitzende, dass sie sich gesundheitsbedingt schweren Herzens von ihrem Hund trennen muss, kam folgende Nachricht zurück: „Sie müssen uns lediglich informieren. Bitte versuchen Sie ihm ein schönes Zuhause zu finden“…und das war es.
Es handelt sich um einen in Deutschland ansässigen Verein, der bereits in seinem Vorauskunftsbogen folgendes abfragt (Stand 11.03.22):
…“Erklären Sie sich ausdrücklich damit einverstanden, dass der von uns an Sie vermittelte Hund wieder an uns zurück geht und keinesfalls anderweitig abgegeben werden darf, falls Sie den Hund selbst nicht mehr behalten können – aus welchem Grund auch immer?“…
Wie passt das zusammen?
Für uns gar nicht und wir sind wirklich sauer über diese Art des „Tierschutzes“.
„Alles ist besser als Tierheim!“? Mitnichten!!
Wem es nur darum geht, möglichst viele Tiere von kargen Beton-Zwingerböden in weiche Körbchen zu beamen, der hat offenbar wenig Empathie, Ahnung und Respekt vor den rassespezifischen und individuellen Bedürfnissen seiner Schützlinge und sollte besser die Finger von jedweden Vermittlungstätigkeiten lassen. Denn nicht nur die Tiere baden solche in unseren Augen unseriösen Vermittlungspraktiken aus, sondern auch deren Besitzer.
Nur dass es für die Besitzer schlimmstenfalls einige endlos lange Jahre mies läuft, für die Tiere jedoch den Rest ihres oftmals bis dahin sowieso nicht allzu rosigen Lebens.
Im Fall von Pino und seinem ehemaligen Frauchen haben wir zwei sich liebevoll zugeneigte Individuen kennengelernt – die nur leider charakterlich als auch körperlich überhaupt nicht zueinander passten. Defizite, die schlussendlich kein Training der Welt adäquat hätte ausradieren können. Defizite, die bereits vor der Vermittlung sowohl beim Hund als auch beim Frauchen ersichtlich gewesen wären, wenn, ja wenn die Vermittler sich nur ein Minimum an Mühe gegeben hätten jenseits des „da hat ein Hund es warm und trocken, wird satt und lieb gehabt“. Wäre Pinos Vorbesitzerin gut beraten worden und hätte einen zu ihr passenden Hund adoptiert, wie schön hätte das Leben für Beide sein können! Und eine Abgabe hätte vor dem aktuellen Hintergrund gar nicht im Raum gestanden! Doch so wurde zwei Lebewesen aus Unwissenheit, Desinteresse oder was auch immer völlig vermeidbar unwiderruflicher seelischer Schaden zugefügt.
Und nochmal: jeder macht Fehler, wir Vermittler sind alle mitnichten allwissend. Doch für den Fall, dass es wirklich mal nach der Vermittlung hakt und schlussendlich eine Abgabe des Hundes unumgänglich ist, dann hilft ein seriöser Verein bei der Neuvermittlung, statt den schwarzen Peter von sich wegzuschieben.
Nicht, dass wir uns falsch verstehen: die meisten Vereine geben sich unglaublich viel Mühe und stehen ihren Tieren und deren Familien vor, während und nach der Vermittlung mit allen verfügbaren Mitteln zur Seite.
Doch die Vereine, die dies leider nicht praktizieren, sind für Interessenten nicht immer leicht zu erkennen. Und der Schaden, den sie mit solchen unprofessionellen Vermittlungen für den Ruf aller Tierschutzorganisationen anrichten, ist enorm.
Der oftmals angeführte Sachkundenachweis nach TierschG §11, Abs. 1, Nr. 5 ist kein Gütesiegel für rundum tolle Tierschutzarbeit, sondern nur der vom Gesetzgeber vorgeschriebene Nachweis, der legale von illegaler Vermittlungstätigkeit unterscheidet. Und legal sollte wohl die absolute Mindestanforderung sein, die jeder an eine Tierschutzorganisation stellt…
Wir können nur jedem Interessenten von Tierheimtieren raten, dem zuständigen Vermittler Löcher in den Bauch zu fragen zur Herkunft, Vorgeschichte und dem Verhalten des Tieres im Tierheim. Er sollte sich eingehend mit den zu erwartenden Rasseeigenschaften des Wunschhundes auseinandersetzen und sich auch bei Mischlingen über die typischen Hunderassen in der Herkunftsregion informieren. Und er sollte sich selbst eingehend mit der üblichen Tierhaltung im Ursprungsland auseinandersetzen. Denn es macht einen großen Unterschied ob ein Hund ein ehemaliger frei geborener Straßenhund oder ein ausgesetzter Hund ist. Es macht einen Unterschied, ob der Hund aus einem städtischen oder ländlichen Umfeld stammt. Es macht einen Unterschied, ob ein Hund ursprünglich mal in einem Heim mit Familienanschluss gelebt hat, die Kinder mit ihm gespielt haben und er auch mal Gassi geführt wurde oder ob er auf einem abgelegenen Grundstück gehalten und unregelmäßig mit Futter versorgt wurde. Es macht einen Unterschied, ob der Hund in einem der privat geführten Tierheime gelandet ist, die oft überfüllt und in desolatem Zustand sind, aber wo sich die Betreuer mit mehr oder weniger viel Sachverstand aber ganz viel Herzblut und Liebe um ihre Schützlinge kümmern, oder ob der Hund in einer Tötungsstation gelandet ist, wo zumeist rein wirtschaftliche Aspekte den Umgang bestimmen. Es macht einen Unterschied, ob ich einen puscheligen Shi-Tzu-Mix adoptiere oder ob ich einen ebenso puscheligen kleinwüchsigen Hund mit Herdenschutzhundgenen adoptiere.
Je weniger reelle Informationen man im Vorfeld über seinen Wunschhund bekommt, desto mehr ist man selbst gefragt in Bezug auf Kompromissbereitschaft, Flexibilität, Durchhaltevermögen, Kompetenz, Erfahrung, Zeit und finanziellen Möglichkeiten. Und desto größer ist das Risiko, dass aus dem Traum vom adoptierten Hund ein Alptraum wird. Für die Besitzer, für den Hund, für alle.
Deshalb unsere Bitte an alle Interessenten von Tierschutztieren: informiert Euch. Informiert Euch über Herkunft, Charakter und mögliche Rasseeigenschaften. Informiert Euch über rasse- und ländertypische Krankheiten, über sinnvolle Eingewöhnungstipps, über empfehlenswertes Zubehör und die richtige Sicherung Eures neuen Freundes. Und gleicht Eure Informationen ehrlich mit Euren Wünschen und Euren Möglichkeiten ab.
(Der Ordnung halber möchte ich kurz erwähnen, dass die ehrliche Einschätzung des Interessenten bezüglich der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten natürlich ein essentieller Baustein für eine glückliche Adoption ist. Ein erfahrender Vermittler wird den Interessenten jedoch diesbezüglich so oder so beraten und bei der Entscheidungsfindung unterstützen. Oder eben auch mal eine mögliche Adoption im Sinne des Tieres und des Interessenten ablehnen.)
Doch zurück zu Pino:
Ein Nachbar verwies die Besitzerin an uns, nachdem vom vermittelnden Verein keine Resonanz mehr kam. Im ersten Telefonat erzählte die Besitzerin uns ausführlich von Pino, ihrer eigenen Erkrankung und seinen Verhaltensauffälligkeiten. Pino blieb ungern alleine und bellte dann, draußen gebärdete er sich immer wieder aggressiv und verbellte andere Hunde und war so quasi zum Schrecken der Straße mutiert. Ein Trauerspiel, denn schnell wurde klar, das ein Großteil der Problematik in der Diskrepanz zwischen Frauchens Alltag und Pinos Beschäftigungsbedürfnis lag sowie seinem unerfüllten Bedürfnis, von seinem Menschen sicher geführt zu werden. Ein persönlicher Besuch bei Pino und gemeinsame Spaziergänge bestärkten uns in unserem ersten Eindruck. Glücklicherweise hatten wir gerade Interessenten, die optisch und charakterlich genau solch einen Hund suchten. Und so fand Pino schneller als gedacht ein neues Zuhause, ohne auch nur einen Tag auf unseren Vermittlungsseiten online sein zu müssen. Wir freuen uns so sehr für Pino und seine überglücklichen neuen Besitzer und für seine ehemalige Besitzerin, die trotz des Schmerzes der Abgabe Trost darin findet, dass ihr Pino nun fröhlich mit anderen Hunden umhertobt und sie ihn ein Stück seines Weges in ein erfülltes Hundeleben begleiten konnte. Also wahrlich ein Happy End…
PS: ein nahezu identisches Schicksal teilt übrigens unser Gimli, ein kleiner Terriermix mit ein paar Ecken und Kanten. Auch er und seine Besitzerin wurden nach einer unglücklichen Vermittlung von seinem vermittelnden Verein im wahrsten Sinne hängengelassen. Nur leider zeichnet sich für Gimli bisher kein Happy End ab…
Wir wären unendlich froh, wenn auch er ganz bald eine passende Pflege- oder gar Endstelle finden könnte, damit er endlich an Körper und Seele gesunden kann. Wer hier helfen kann, meldet sich bitte bei uns! (NZ)
Hier geht es zu seinem Vermittlungsprofil:
https://ts-fellwechsel.de/zuhause-gesucht/rueden/60456/